Greiveschlass bald regionales Kulturzentrum?

Artikel EDMOND SCHMITT in nos cahier

 

Die Wasserburg von Koerich

Es ist schon ein beeindruckendes Panorama, das sich eingangs der Ortschaft Koerich dem aus Richtung Capellen kommenden Besucher bietet: zu Füßen die gewaltigen Gemäuer des Greiveschlass, der mittelalterlichen Wasserburg, und dahinter auf der Anhöhe die Pfarrkirche Sankt Remigius, von Kennern als die schönste Barockkirche des Großherzogtums gepriesen. Beides, Wasserburg und Kirche, sind der Stolz der Ortschaft Koerich.
Ursprung und Zweck der Wasserburg unbekannt
In Ermangelung von Urkunden ist es bisher nicht möglich, die Entstehung des Koericher Greiveschlass zurückzuverfolgen. Erstmals ist Wirich 1. im Jahre 1268 urkundlich als „Herr von Koerich" schriftlich erwähnt. Die Hypothese, dass das Greiveschlass auf den Grundmauern eines römischen Kastells erbaut worden sei, ist unwahrscheinlich, da die kriegserfahrenen Römer sicher kein Militärlager in einem schmalen und versumpften Tal errichtet hätten.
Somit bleibt auch der Zweck des imposanten Bauwerks weiterhin ein Geheim­nis. Denn wehrtechnisch war die Lage im engen Tal von Koerich - im Norden nur einige Schritte von einem Felsen und im Süden knapp 50 Meter vom Fuß eines sie um 25 Meter überragenden Felsenplateaus (auf dem die Kirche steht) ent­fernt - nicht nur unbedeutend, sondern direkt unsinnig. Für jeden Feind wäre es ein leichtes gewesen, sowohl „von oben herab" in den Burgbering einzusehen als auch hinein zu schießen.
Obschon die Burg- beziehungsweise Schlossanlage mit einem J 1 Meter breiten Wassergraben, einer 6 Meter hohen Ringmauer und einem gewaltigen Wehrturm von 12 x 11,60 Meter im Geviert und rund 28 Meter Höhe bei einer Mauerdicke von 3,20 ausgestattet war, wäre sie niemals in der Lage gewesen, eine kriegsge­schichtliche Rolle zu spielen. Somit kann angenommen werden, dass das riesige wehrhafte Gemäuer eigentlich nur als befestigter Herrensitz errichtet worden war. Die Bezeichnung „Burg" oder ,Wasserburg" ist demnach nur bedingt richtig, ,,Schloss" wäre eher angebracht.

Es ist geplant, die alte Wasserburg von Koerich zu einem regionalen „Chateau culturel" aufzubauen 

Aus „Gräfenschloss" wurde „Greiveschlass"
Die heutige Bezeichnung Greiuebuerg beziehungsweise Greiueschlass entstand erst nachdem Lambert-Joseph de Marchant, Schlossherr in Ansemburg, 1738 die Kcericher Anlage erstand. Als er 17 49 von Kaiserin Maria Theresia in den Gra­fenstand erhoben wurde, nannte man das „Koericher Haus" fortan „Gräfen­Schloss", aus dem sich die landläufige Bezeichnung Greiveschlass entwickelte. Heutiger Besitzer ist der luxemburgische Staat.
Die Fockenburg - zweite Koericher Burg
Leicht ansteigend in nur 200 Meter Entfernung erhob sich einst ein weiteres Wehrhaus, die „Fockenburg", deren Ursprung -wie derjenige des benachbarten Greiueschlass -im Dunkeln liegt.
Aufgrund der Heirat der aus dem Fockengeschlecht (Fock von Hübingen) stam­menden Irmgard von Koerich mit Gerard, Vogt von Longwy (gestorben vor 1250), muss angenommen werden, dass die Fockenburg bereits um diese Zeit bestanden hat.

suedseit kl

Die 33 x 11 Meter große .. Terrasse", wo einst der Hauptwohntrakt - der Palasstand. soll als Freilichtbühne erhalten bleiben

 Das geht auch aus dem nicht mehr bestehenden runden romanischen Bergfried hervor, der gegen 1200 errichtet wurde, somit rund ein halbes Jahr­hundert vor dem quadratischen Wachtturm des Greiveschlass, der dem Jahr 1259 zugeordnet wird.
Von der Fockenburg (oder Fockenschloss) standen schriftlichen Aufzeichnungen zufolge im Jahre 1824 noch Überreste. Um 1900 waren nur mehr Kellerruinen und Fundamente zu erkennen. Heute stehen neue Wohnhäuser auf dem Ge­lände der einstigen „Fockenherrschaft von Koerich".
 

„Käercher Schlassfrenn" gaben Anstoß zum Wiederaufbau der Wasserburg
Es war im Jahr 1993, als Einwohner der Gemeinde Koerich dem fortlaufenden Verfall des rund achthundertjährigen majestätischen Greiveschlass Einhalt ge­bieten wollten und zur Gründungsversammlung der Käercher Sehfass/renn auf­riefen. Der Zulauf und das Interesse an der im Koericher Festsaal stattgefunde­nen Zusammenkunft war über Erwarten groß. Ein 13-köpfiger Vorstand unter der Präsidentschaft von Marie-Josee Agosta nahm umgehend seine Tätigkeit auf.

entree kl

Charakteristisch für das „Greiveschlass", die Wasserburg von Koerich: Die Bresche im Kapellenturm.

Es bedurfte vieler Schreibarbeit, mannigfaltigen Unterredungen mit dem zustän­digen Ministerium und der Veröffentlichung zahlreicher Presseartikel seitens der ,,Schlassfrenn" bevor der Staat in seiner Eigenschaft als Besitzer der Schlossan­lagen fünf Jahre nach deren Gründung grünes Licht für den Beginn der drin­gendsten Säuberungs- und Instandsetzungsarbeiten gab und die dafür notwen­digen Geldmittel bereitstellte. 

Seither wurden ehemals vom Einsturz bedrohte Gemäuer im Schlossbering restauriert, der Eingangsbereich wiederaufgebaut, Teile des Burggrabens freige­legt und die zum Teil eingestürzte Umfassungsmauer des Koericher Baches wieder hergesteilt.
Neue Erkenntnisse durch archäologische Grabungen
Die im Innenhof vom „Service des Sites et Monuments nationaux" in Zu­sammenarbeit mit dem „Nationalmuseurn für Geschichte" unter Leitung von John Zimmer vor drei Jahren begonnenen und im Frühjahr 2003 beendeten ar­cheologischen Grabungen, haben einige bemerkenswerte neue Erkenntnisse ans Tageslicht gebracht. 

ostseit kl

Beeindruckend: im engen Tal die 800 Jahre alte Wasserburg - auf der Anhöhe die Barockkirche von Koerich 


Bisher war man davon ausgegangen, dass die Burg von ,Wirich von Koerich" ab dem Jahr 1259 errichtet worden ist. Neuere Funde lassen aber darauf schließen, dass deren Entstehung schon viel früher stattgefunden haben könnte, nachdem unter einem um das Jahr 1300 verlegten steinernen Fußbodenbelag Überreste einer Holzkonstruktion entdeckt worden sind, auf der Teile der Burganlage er­richtet sind. Auch wurden Münzen und Dachziegel in dem selben Tiefenbereich sicher gestellt.
 

Einwohner sprachen sich für Renovierung aus
Die „Käercher Schlassfrenn", deren Ziel es von Anfang an gewesen ist, die noch gut erhaltenen Überreste des „Greiveschlass" der Nachwelt zu erhalten, haben im Jahre 2002 eine Umfrage innerhalb der Gemeinde Koerich, zu der auch die Orte Götzingen, Goeblingen und Windhof gehören, durchgeführt. Man wollt wissen, wie sich die Mitbewohner zu einer Instandsetzung beziehungsweise Nut­zung der Wasserburg verhalten würden. 

Die Aktion hatte einen überraschend positiven Anklang gefunden. Die Wünsche und Vorstellungen der Mitbürger kann man folgendermaßen zusammen fassen: Freilegung des versumpften Wassergrabens, Instandsetzung der Kellergewölbe, Bewahrung der darüber liegenden weiträumigen „Terrasse" mit Nutzung als Freilichtbühne, Überdachung des Kapellenturms mit Schließung der dreieckigen Bresche in der Vorderfront und Wiederherstellung der Etagengeschosse, Re­staurierung des Wohngebäudes mit Kellern, Wiederherstellung des mächtigen viereckigen Wehrturms (,,Hexenturm") mit Aussichtsplattform.
Aufgrund dieser Aussagen und Wünsche haben die „Schlassfrenn" und der Schöffenrat von Koerich einen gemeinsamen Prioritätenkatalog erstellt und der Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges zur Begutachtung zukommen lassen.
In den anschließend stattgefundenen Gesprächen sind sowohl die Ministerin als auch die Gemeindeverantwortlichen mit Bürgermeister Jean Everard an der Spitze sowie die „Schlassfrenn" der einhelligen Ansicht, dass der Wiederaufbau und die nachträgliche Nutzung des „Greiveschlass" nicht nur der Ortschaft Koerich sondern darüberhinaus der umliegenden Region einen touristischen, kulturellen, publizistischen und somit wirtschaftlichen Antrieb verschaffen wird.


Ein „Kulturzentrum" für die Westregion?
Um die Koericher Wasserburg kommenden Generationen zu erhalten und der Westregion einen kulturellen Aufschwung zu verleihen, liebäugelt man mit einem ambitiösen Plan. In dem alten Burggemäuer gedenkt man, ein regionales Kul­turzentrum zu errichten.
Da sowohl in Koerich als auch in den meisten westlichen Nachbargemeinden ein akuter Mangel an kultureller Infrastruktur besteht, wäre das Projekt sonder Zwei­fel eine Bereicherung für einen weiten Teil der Westregion.
 

Der Palas: eine Freilichtbühne von seltener Schönheit
Das stabile Mauerwerk der im Geviert errichteten und mehrmals umgebauten Burganlage - vor allem die Umfassungsmauern, der Burgturm und der in meh­rere ungleich große Räume gestaltete Gewölbekeller - befinden sich noch in einem bemerkenswert guten baulichen Zustand. Prunkraum der Anlage ist der 33 x 11 Meter große Palas mit seinen auf zwei Ebenen eingelassenen Fenstern: eine Naturbühne von seltener Schönheit.Man ist sich bewusst, dass ein Erb- und Kulturgut von solchem Ausmaß nicht nur vor dem weiteren Verfall bewahrt werden, sondern der Nachwelt wieder zu­gänglich gemacht werden soll. Die jetzige und die kommenden Generationen werden dafür dankbar sein. Sollten die kühnen Pläne zur Ausführung gelangen, wird Koerich mit seinem ,,Chateau Culturel" zukünftig im ,;Tal der sieben Schlösser" eine kulturelle, ge­sellschaftliche und touristische Vormachtstellung inne haben.

eischt kl

Der Eingangsbereich des ,.Greiveschlass" ist bereits zum Teil wiederaufgebaut